2020/2021

Liebe Filmfreunde,
In ungewohnten Zeiten, in denen das Treffen, das Umarmen, das Reisen und generell das Leben an sich neu überdacht werden musste, waren wir gezwungen, unser seit November 2020 geplantes Festival zu verschieben. Es war eine schwierige Zeit, viele von uns haben geliebte Menschen verloren, die Welt fordert uns auf, uns unserer Menschlichkeit bewusster zu werden.
Aber endlich können wir uns wieder treffen und das lateinamerikanische Kino genießen, wenn auch mit einigen Einschränkungen, wie zum Beispiel, dass wir nicht wie gewohnt im Foyer des Kinos sitzen können, wo sich die lateinamerikanische Gemeinschaft und ihre Freunde seit acht Jahren bei einem Glas chilenischen Weins oder einigen kolumbianischen Arepas über das Kino und die Welt austauschen können.
Trotzdem bietet uns unser Programm in diesem Jahr eine wunderbare Reise. Auf der Leinwand werden wir die Topographie der südamerikanischen Gebirge neu entdecken: von der Sierra Nevada de Santa Marta (Thinking like a mountain) bis zu den Anden (La cordillera de los sueños) sind viele Geschichten auszugraben. Die eigene Vergangenheit zu klären, um heute in Frieden zu leben, streben auch Kinder von verschwundenen Eltern (Nuestras madres), und Freunden, die hinter gelassen wurden (A media voz). Nicht nur die eigene, individuelle Geschichte, sondern auch die des Landes wird dank des Filmschaffens neu betrachtet (La revolución y la tierra). Die Magie des Kinos bringt auch eine gewisse Unsterblichkeit: zumindest auf der Leinwand leben weiterhin Menschen (Lemebel) sowie Orte (Once upon a time in Venezuela), die es sonst nicht mehr gäbe. Und was ist mit Sachen wie eine Stimme, die es vielleicht doch nicht gibt, außer wenn sie einen Körper bewohnt (Vaga Carne)? Viele Fragen und vielleicht sogar einige Antworten finden wir in einer Festival-Edition, wo Dokumentarfilme einen besonderen Platz haben – in einem Moment, wo die Wirklichkeit uns oft überfordert, ist es wichtig, auf andere Realitäten zuzuschauen und neue Perspektive zu gewinnen.
Um das Programm abzurunden, zeigen wir beim Kinderkino die Realverfilmung bekannter Comic-Figuren Turma da mônica – Laços: für Kleine ein neues Abenteuer, für Große vielleicht eine nostalgische Rückkehr in die eigene Kindheit.
Die aufgrund des Abstandsgebotes notwendige Platzbeschränkung hat uns auf der Suche nach anderen Spielorten angeregt. Von daher freuen wir uns, dieses Jahr neben dem traditionellen Kino des DFF auch eine Auswahl des Programms im Filmforum Höchst präsentieren zu können.
Un afectuoso saludo,
Team Días de Cine

PROGRAMM

ONCE UPON A TIME IN VENEZUELA
Venezuela/Großbritannien/Österreich/Brasilien 2020
R: Anabel Rodríguez Ríos
Dokumentarfilm. 99 Min. DCP. OmeU
Am Maracaibo-See bereitet sich die Fischergemeinde Congo Mirador auf die Parlamentswahlen vor. Für die Geschäftsfrau und Politikerin Tamara von der chavistischen Partei zählt jede Stimme und sie kämpft mit allen Mitteln. Die Lehrerin Natalie unterstützt dagegen die Opposition. Obwohl die aktuelle Politik versucht, sie von ihrem Job zu verdrängen, gibt sie nicht auf. Aber lokale Kontroversen sind nicht das einzige Problem. Der See verschluckt seit Jahren die kleinen Holzhäuser und zwingt die Bewohner, vor dem eskalierenden politischen und ökologischen Chaos zu fliehen.
Kino des DFF
Donnerstag 22.07.2021
20:15 Uhr
Nach dem Film: Online Gespräch mit Regisseurin Anabel Rodríguez
FilmForum Höchst
Samstag 24.07.2021
20:30 Uhr

LEMEBEL
Chile/Kolumbien 2019
R: Joanna Reposi Garibaldi
Dokumentarfilm. 96 Min. DCP. OmeU
Als Schriftsteller, bildender Künstler und Pionier der Queer-Bewegung in Lateinamerika rüttelte Pedro Lemebel während der Diktatur Pinochets in den 1980er Jahren die konservative chilenische Gesellschaft auf. Aber auch in der linken Szene sind seine tuntig-exzentrischen Auftritte nicht immer verstanden worden. Nun wird in einer poetischen Reise durch riskante Performances – mit Körper, Blut und Feuer als Protagonisten – ein unermüdlicher Kämpfer porträtiert, der sein letztes filmisches Werk nie fertig sehen konnte.
Kino des DFF
Samstag 24.07.2021
21:00 Uhr
FilmForum Höchst
Donnerstag 22.07.2021
18:00 Uhr

ROJO
Argentinien 2018
R: Benjamín Naishtat
D: Dario Grandinetti, Andrea Frigerio, Alfredo Castro
109 Min. DCP. OmU
Der angesehene Rechtsanwalt Claudio Mora führt mit seiner Frau und seiner Tochter ein beschauliches Leben in der argentinischen Provinz. Das Jahr ist 1975 und während einer Welle politischer Gewalt die Städte überrollt, geht bei Mora alles seinen gewohnten Gang. Alles ändert sich eines Abends, als Mora in einem Restaurant mit einem fremden Mann in einen Streit mit dramatischen Folgen gerät.
TRAILER
FilmForum Höchst
Donnerstag 22.07.2021
20:30 Uhr
Freitag 23, Samstag 24 und Montag 26.07.2021
18:00 Uhr

TURMA DA MÔNICA – LAÇOS
Brasilien 2019
R: Daniel Rezende
D: Giulia Benite, Kevin Vechiatto, Laura Rauseo
97 Min. DCP. OmeU mit deutscher Einsprache.
*Empfohlen ab 7 Jahren.
In Brasilien braucht man Monica und ihre Bande nicht vorzustellen. Seit Jahrzehnten sind die Comic-Figuren einen Riesenerfolg, auch in den Nachbarländern. Nun stürzen sich die vier Freunde in ein neues Abenteuer, als Cebolinhas Hund spurlos verschwindet und gerettet werden muss. Die knallbunte Realverfilmung erzählt von Kindern, die ihre Ängste überwinden und gleichzeitig den Wert von Freundschaft und Zusammenhalten lernen müssen.
Kino des DFF
Freitag 23.07.2021
14:30 Uhr
Sonntag 25.07.2021
15:00 Uhr

VAGA CARNE
Brasilien 2019
R: Grace Passô, Ricardo Alves Jr.
D: Grace Passô
45 Min. DCP. OmeU
Eine wandernde Stimme ist in der Lage, in jede Materie einzudringen, ob fest, flüssig oder gasförmig. In der Verfilmung der gleichnamigen Theateraufführung von Grace Passô „Vaga Carne” , beschließt diese Stimme, in den Körper einer Frau einzufahren. Aus dieser Erfahrung heraus erzählt die Stimme, was sie als Subjekt fühlt, und erforscht den Körper als soziales Konstrukt.
Kino des DFF
Freitag 23.07.2021
18:00 Uhr
*Vor dem Film: Kurzfilme "Receita de caranguejo" von Issis Valenzuela und "República" von Grace Passô.
KURZFILME

RECEITA DE CARANGUEJO
Brasilien 2020
R: Issis Valenzuela
D: Thais Melo, Preta Ferreira
20 Min. Digital. OmeU
Nach dem Tod ihres Vaters machen Lari und ihre Mutter einen Ausflug zum Strandhaus der Familie. Sie beschließen, ein paar Krabben zu kochen. Und die Tiere, allmählich, werden leuchtende Wesen.
Kino des DFF
Freitag 23.07.2021
18:00 Uhr
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REPÚBLICA
Brasilien 2020
R: Grace Passô
D: Grace Passô
16 Min. Digital. OmeU
Die Covid-19-Pandemie zeigt die Dimension der Nekropolitik in Brasilien und die ethische Krise einer Gesellschaft unter einer Regierung, die eine kolonialistische Macht repräsentiert. Gedreht wurde der Kurzfilm zu Hause, mit einer selbstgebauten Struktur Anfang der Quarantäne 2020 in der Innenstadt von São Paulo.
Kino des DFF
Freitag 23.07.2021
18:00 Uhr

THINKING LIKE A MOUNTAIN
Deutschland 2018
R: Alexander Hick.
Dokumentarfilm. 91 Min. DCP. OmU
Die Arhuacos leben auf Kolumbiens höchster Bergkette, die Sierra Nevada de Santa Marta. Seit Jahrhunderten verteidigen sich diese Ureinwohner gegen europäische Eroberer, Landbesitzer und Minenunternehmen. Auch der Bürgerkrieg ist dem Gebiet nicht erspart worden und die Arhuacos spüren immer noch seine Konsequenzen. Im 21. Jahrhundert scheint die Isolation zu verschwinden, genau wie der Gletscher, der von den Bergbewohnern für heilig gehalten werden.
Kino des DFF
Freitag 23.07.2021
20:15 Uhr
Nach dem Film: Online Gespräch mit Regisseur Alexander Hick.

LA CORDILLERA DE LOS SUEÑOS
Chile/Frankreich 2019
R: Patricio Guzmán
Dokumentarfilm. 85 Min. DCP. OmU
Im letzten Teil seiner Trilogie zur Heimat – nach „Nostalgia de la Luz” (2010) und „El Botón Nácar” (2015) – befasst sich Patricio Guzmán mit den Anden - die Gebirgskette, die 80 Prozent der Oberfläche Chiles ausmacht. Gleichzeitig geht es um das Gedächtnis der bewegten Bilder und um eine höchstpersönliche Geschichte, die ihn bis zurück in die Ruinen des Hauses seiner Kindheit führt.
Kino des DFF
Samstag 24.07.2021
18:00 Uhr
FilmForum Höchst
Dienstag 27.07.2021
18:00 Uhr

NUESTRAS MADRES
Guatemala/Belgien/Frankreich 2019
R: César Díaz
D: Armando Espitia, Emma Dib, Aurelia Caal
77 Min. DCP. OmeU
Zu den Aufgaben des jungen Anthropologen Ernesto gehört es, Menschen zu identifizieren, die während des Bürgerkrieges in Guatemala verschwanden. Als er bei der Arbeit die Zeugenaussage einer älteren Frau hört, glaubt er, eine Spur zu seinem Vater – einem verschwundenen Guerillakämpfer – gefunden zu haben. Nun will Ernesto gegen den Willen seiner Mutter endlich die Wahrheit suchen.
Kino des DFF
Samstag 24.07.2021
16:00 Uhr

A MEDIA VOZ
Spanien/Frankreich/Schweiz/Kuba 2019
R: Heidi Hassan, Patricia Pérez Fernández
Dokumentarfilm. 80 Min. DCP. OmeU
Die besten Freundinnen Patricia und Heidi wuchsen in Kuba auf, wo sie zusammen die Filmakademie besuchten. Unabhängig voneinander sind sie nach Europa gegangen und hatten jahrelang keinen Kontakt mehr.Jetzt, mit 40 Jahren, suchen sie gemeinsam einen Weg, um sich wieder näher zu kommen und wählen das Medium, das ihnen am besten passt: Videobriefe. Das Ergebnis ist ein intimer, auto-ethnographischer Film über Entwurzelung, Mutterschaft, Liebe zum Film und Freiheit.
Kino des DFF
Sonntag 25.07.2021
18:00 Uhr
Vorfilm: Kurzfilm "Die Kleine Welt" von Yasmin Ángel.
FilmForum Höchst
Montag 26.07.2021
20:30 Uhr
KURZFILM

DIE KLEINE WELT
Deutschland 2016
R: Yasmin Angel
D: Leo De Beul, Gerda Böken
16 Min. Digital. OF (Deutsch)
Der 80-jährige Albert hütet ein sonderbares Geheimnis: seine eigene, selbst gebaute kleine Welt, die nun durch neue Bekanntschaften bedroht wird.
Kino des DFF
Sonntag 25.07.2021
18:00 Uhr (Vorfilm)
Nach dem Kurzfilm: Gespräch in Anwesenheit von Regisseurin Yasmin Ángel.

LA REVOLUCIÓN Y LA TIERRA
Peru 2019
R: Gonzalo Benavente Secco
Dokumentarfilm. 110 Min. DCP. OmeU
Er ist bereits zum meistgesehenen Dokumentarfilm in
der Geschichte Perus geworden: „La Revolución y la Tierra” untersucht die Geschichte der bis heute umstrittenen Regierung von Juan Velasco Alvarado.
Deren Agrarreform hat Peru entscheidend verändert.
Der Film lebt nicht nur von zahlreichen Interviews und Archivmaterial, sondern zeigt auch ein Stück der peruanischen Filmgeschichte, die die Kämpfe um das Land im zwanzigsten Jahrhundert porträtierte.
Kino des DFF
Sonntag 25.07.2021
20:15 Uhr
FilmForum Höchst
Dienstag 27.07.2021
20:30 Uhr
GÄSTE
WORKSHOP

ANABEL RODRÍGUEZ RÍOS
Die in Wien lebende venezolanische Filmemacherin Anabel Rodríguez erwarb einen Master-Abschluss in Filmemachen an der London Film School, der vom British Council und der venezolanischen Stiftung „El gran Mariscal de Ayacucho" gefördert wurde. Ihr Kurzfilm „The Barrel", Teil der Reihe „Warum Armut", ging an über 50 internationale Filmfestivals, darunter HotDocs, IDFA, und wurde mit einem TFI Latin Grant ausgezeichnet. Ihr erster Spielfilm „Once upon a time in Venezuela" hatte seine Weltpremiere beim Sundance Film Festival 2020.
Online Gespräch am Donnerstag 22.07.2021 nach dem Film „Once upon a Time in Venezuela” im Kino des DFF.
FILMOGRAPHIE
2020 Once upon a time in Venezuela
2013 The barrel
2008 1,2 y 3 Mujeres

ALEXANDER HICK
Alexander Hick studierte an der Kunstakademie München und Dokumentarfilm an der Hochschule für Film und Fernsehen in München und in Mexiko Stadt am Centro
de Capacitación Cinematográfico. Er wurde ausgezeichnet mit dem Bayerischen Debütantenpreis
und dem Bayerischen Kunstförderpreis. Seine Filme und Videoinstallationen liefen international erfolgreich auf Festivals (u.ä. Zurich Filmfestival, Visions du réel, Morelia Festival de Cine, Filmfestival München, Dok Leipzig) und in Museen (u.a. Pinakothek der Moderne, Haus der Kunst, Macba Barcelona).
Online Gespräch am Freitag 23.07.2021 nach dem Film „Thinking like a Mountain” im Kino des DFF.
FILMOGRAPHIE
Dokumentarfilme
2018 Thinking like a Mountain
2015 Scorched Water (Atl Tlachinolli)
Kurz- und Essayfilme
2010 Saint Germain
2010 Day after day
2007 Make no way the way

YASMIN ÁNGEL
Yasmin Ángel ist Filmregisseurin und Autorin. Sie wurde 1978 in Bogotá, Kolumbien geboren. Sie hat ein Diplom in Medienkunst mit dem Schwerpunkt Regie bei Spielfilmen und Dokumentationen. Ihre erste visuelle Arbeit war die Fotoausstellung „Der letzte Moment", die im Museum of Modern Art in Bogotá gezeigt wurde. Yasmin lebt seit 2006 in Deutschland. Ihre Filme wurden mehrfach ausgezeichnet und auf internationalen Filmfestivals gezeigt, darunter das Internationale Dokumentarfilmfestival von Amsterdam (IDFA), TIFF, Oberhausen, OZU (Oscar-qualifiziert), WinterthurFilmfest und Max Ophüls Preis.
FILMOGRAPHIE
Dokumentarfilme
2020 Humanmakers (Work in progress)
2020 Leo De Beul and Ros Beiaard (Work in progress)
2017 800 Gramm
2012 A Este Lado
Kurzfilme
2018 Frauen im Fußball
2017 Die Kleine Welt
2015 Le Noctambule
2013 To be a Bgirl
2013 Am Rande
2012 Dreiviertelsieben
2011 Niemals Aufgeben
2011 Satie
2009 Help me Dying
2009 The Kreuzworträtsel
2008 La trampa (The Trap)
2008 The Joke
2006 Jan und der Spiegel